In der 5. Folge des Podcasts Sex in Berlin dreht sich alles um die queere und schwule (Party-)Szene, Darkrooms, Musik, das Berghain und Safer Sex. Martin*a von sidekicks Berlin beantwortet uns hier auf sin.berlin noch weitere spannende Fragen. Die Schwulenberatung Berlin startete das Projekt sidekicks, um auf queeren Veranstaltungen über Safer Sex und Safer Use aufzuklären.
- Was hat Sex mit Safer Use und Substanzgebrauch zu tun?
Mir fallen spontan drei Aspekte ein, die die Themen miteinander verbinden. Gerade an Orten, wo Menschen zum Feiern zusammenfinden, treffen Sexualität und Substanzgebrauch häufig aufeinander. Stellen wir uns ein Open-Air-Festival, eine Bar mit Darkroom, eine sexpositive Techno-Party oder gar das lokale Schützenfest vor, werden vermutlich viele Beispiele in den Sinn kommen. Orte, an denen Nüchternheit oder Abstinenz die Regel ist, sind selten. Sex und Drogengebrauch kommen oft zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Sowohl beim Sex als auch beim Benutzen von Drogen gehen wir unvermeidbare Risiken ein. Einen risikofreien Sex oder Drogenkonsum gibt es nicht. Es ist allerdings möglich, die Risiken mit bestimmten Handlungen unwahrscheinlicher zu machen. Die Wechselwirkung von Sex und Substanzen bringt besondere Risiken mit sich. Wenn Menschen betrunken oder high Sex haben, kann es zum Beispiel sein, dass sie weniger auf Safer Sex achten oder andere Entscheidungen treffen, als wenn sie nüchtern wären. Außerdem haben Sex und Drogengebrauch aus meiner Sicht noch eine große Gemeinsamkeit: Beide Themen sind tabuisiert und in Teilen mit Stigmata belegt. Das macht es für viele schwerer, Informationen zu bekommen oder über ihre Interessen und Erfahrungen zu sprechen.
- Was sind häufige Fragen in Clubs, die euch Menschen stellen?
Was den Themenbereich Substanzgebrauch angeht, bekommen wir viele Fragen zu Safer Use, Wirkweisen und Nebenwirkungen einzelner Substanzen (aktuell G und Mephedron) sowie Mischkonsum. Konkrete Fragen, die wir hören, sind zum Beispiel: „Was kann ich konkret tun, um meinen Konsum sicherer zu machen?“, „Worauf kann ich beim Konsum von G achten?“ oder „Kann ich Substanz X nehmen, wenn ich schon Substanz Y genommen habe?“. In letzter Zeit gibt es vermehrt Fragen zum Berliner Drug Checking sowie Heimtests/Teststreifen für Drogen. Nach wie vor bekommen wir außerdem viele Fragen zu den Themen Schutz durch PrEP, HIV-Tests und sexuell übertragbaren Infektionen. Zum Beispiel wünschen sich Personen Unterstützung bei der Einschätzung „Ist die PrEP etwas für mich?“ oder sind interessiert daran, wo sie sich auf HIV und STI testen lassen können. Auch zum Thema Konsens möchten Gäste gerne mit uns sprechen. Viele Menschen melden uns nach Gesprächen mit uns positive Überraschung und Dankbarkeit für unser Angebot zurück.
- Welches Wissen über Safer Sex und/oder Safer Use wird deiner Meinung nach zu wenig thematisiert?
Zu Safer Use: Die Bedeutung von Verboten und Restriktionen in Bezug auf Safer Use könnte mehr diskutiert werden. Viele Orte entscheiden sich weiterhin, explizit den Gebrauch von GBL zu verbieten und einen Verstoß mit Rausschmiss und Hausverbot zu belegen. Dieser Umgang macht es wahrscheinlicher, dass Leute aus Angst keine Safer Use Utensilien mitnehmen, ihren Konsum geheim halten oder im Notfall lieber keine Hilfe holen. Was Safer Sex angeht: Aus meiner Erfahrung meinen wir häufig Unterschiedliche Dinge, wenn wir von Safer Sex sprechen. Ich glaube, dass es hilfreich sein kann, genauer zu benennen, um welche Infektionen und Handlungen es geht. Hier ein kleiner Exkurs zum Begriff „Safer Sex“: Der Begriff Safer Sex bezieht sich erst einmal nur auf den Schutz vor HIV. Im Grunde gibt es drei Strategien, die oft als „Safer Sex 3.0“ zusammengefasst werden. Diese sind: das Kondom, die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) und die Therapie als Prävention (TasP). Jede einzelne von diesen Strategien bietet bei richtiger Anwendung einen sehr wirksamen Schutz vor HIV. Was die meisten Menschen meinen, wenn sie Safer Sex sagen, ist allerdings allgemeiner. Hier geht es nicht nur um HIV, sondern auch um den Schutz vor weiteren möglichen Sexuell übertragbaren Infektionen: zum Beispiel Chlamydien, Gonorrhö, Syphilis, usw. Die meisten Safer Sex Strategien oder weitere Hilfsmittel wie Lecktücher oder Handschuhe können einen gewissen Schutz vor STI bieten. Allerdings ist der Schutz vor STI weniger wirksam, weil diese Infektionen sich leichter übertragen.
- Welche Safer Sex Praktiken oder Infos werden deiner Meinung nach unterschätzt und welche werden überbewertet (falls es das gibt)?
Unterschätzt: Meiner Meinung nach wird die TasP unterschätzt. TasP bedeutet: eine HIV-positive Person ist nimmt Medikamente, die den Virus im Körper so weit unterdrücken, dass er unter einen Grenzwert kommt. Dann kann HIV beim Sex (auch ohne Kondom) nicht mehr an andere weitergegeben werden. Dieses Wissen ist noch nicht überall angekommen.
Überbewertet: Das Kondom schützt super gegen HIV. Es wird allerdings oft überbewertet, was den Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen angeht. Viele gehen davon aus, dass ein Kondom verlässlich vor allen STI schützen kann. Das stimmt so nicht. Eine Übertragung von STI ist trotz Kondom weiterhin, zum Beispiel über Schmierinfektion, möglich. Darum: Sexuell übertragbare Infektionen können auch bei Safer Sex passieren. Stay calm & test yourself every now and then.
- Warum findet man euch nur auf queeren Events?
Unser Projekt basiert auf dem sogenannten Peer-Ansatz. Peers sind Personen, die ähnliche Erfahrungen oder Hintergründe haben. In unserem Team identifizieren sich alle Mitarbeitenden selbst als queer und unterstützen andere queere Personen. Kurz gefasst ist unser Angebot von Queers für Queers – und dafür sind wir auch vom Land Berlin beauftragt.
- Was ist dein persönlicher Tipp für ein gut vorbereitete sexpositive Partynacht (generell und speziell wenn es um Safer Sex geht)?
Mein persönlicher Tipp: Nimm dir zuhause 10 ruhige Minuten und setze dir eine Intention für die Nacht. Frage dich: Was möchte ich erleben? Was möchte ich tun? Wovon möchte ich Abstand nehmen? Was möchte ich sein lassen? Was brauche ich, damit das klappt?
- Welche kuriose Geschichte hast du schon mal auf einer sexpositiven Party erlebt?
Na, wir werden doch nicht aus dem Nähkästchen plaudern! 😉 An alle Leser*innen da draußen: Fühlt euch frei, eure kuriosen Geschichten zu erzählen, wenn ihr uns mal irgendwo live in Action seht. Wir versprechen euch: Was ihr uns anvertraut, bleibt bei uns.