In diesem Leitfaden zeigen wir euch, wie man Consent vor, während und nach einer körperlichen Berührung praktizieren kann – und warum es so wichtig ist, in jeder Phase auf die Zustimmung zu achten.
von Lilly Hahn
Consent steht für die Einvernehmlichkeit in sozialen oder sexuellen Interaktionen. Die freiwillige Zustimmung sollte ein fundamentales Element jedes Kontaktes sein– sei er körperlicher oder emotionaler Art. Das Erlernen und Praktizieren von Consent bedeutet, die Grenzen anderer zu respektieren und gleichzeitig eine Kultur der offenen Kommunikation und des gegenseitigen Respekts zu fördern.
Vor dem Berühren – Klare Kommunikation und Grenzsetzung
Noch bevor es zu körperlichem Kontakt kommt, ist es möglich, eigene Grenzen zu kommunizieren. Um sie überhaupt benennen zu können, muss man sie zunächst selbst kennen. Hast du dir schon mal Gedanken über deine persönlichen Grenzen gemacht? Es ist wichtig, dass jede*r für sich selbst klärt, was sich gut und richtig anfühlt – und was nicht.
Dieser Prozess kann bereits vor einer Berührung stattfinden, aber auch währenddessen weiterentwickelt werden. Consent beginnt mit einem offenen, respektvollen Dialog, in dem sich die Beteiligten so sicher wie möglich fühlen und in dem Raum für ein ‘Ja’, ein ‘Nein’, aber auch ein ‘Vielleicht’ gemacht wird.In diesem Dialog müssen alle Beteiligten psychisch und physisch in der Lage sein, ein klares „Ja“ oder „Nein“ zu äußern. Menschen, die schlafen, bewusstlos sind oder unter dem Einfluss bestimmter Substanzen stehen, können keine Zustimmung geben. Besonders auf Partys ist deshalb Achtsamkeit gefragt – wer berauscht ist, kann keine gültige Zustimmung erteilen. Solche Zustände auszunutzen ist absolut inakzeptabel.
Allerdings gibt es auch spezielle sexuelle Begegnungen, bei denen Consent im Vorfeld klar vereinbart wird:
Consensual Non-Consent (CNC) bezeichnet Rollenspiele, bei denen einvernehmlich so getan wird, als wäre keine Zustimmung da – z. B. durch ein „Nein“, das Teil des Szenarios ist. Sicherheit und klare Grenzen (z. B. durch ein Safe Word) sind hier essenziell.
Chemsex beschreibt einvernehmlichen Sex unter Einfluss bestimmter Substanzen, die meist zur Luststeigerung konsumiert werden. Wichtig sind dabei Aufklärung, Safer Sex, Safer Use und gegenseitige Verantwortung.
Sprich über Consent:
Gerade am Anfang kann sich das vielleicht ungewohnt oder sogar komisch anfühlen – aber auch das Fragen lässt sich üben, alleine oder gemeinsam. Um dir den Einstieg zu erleichtern, findest du hier ein paar Formulierungen, die du nutzen kannst:
Ist es okay, wenn ich dich umarme?
Wäre es für dich schön, wenn ich dich küsse?
Fühlt es sich gut an, wenn ich…?
Erzähl mir gerne, was du dir gerade wünschst oder was dich reizt.
Möchtest du, dass ich so weitermache?
Was brauchst du gerade oder was würde dir guttun?
Wenn du bestimmen dürftest, was jetzt passiert – was wäre das?
Ich spüre, dass ich Lust auf dich habe – wie geht’s dir damit?
Neben diesen Formulierungen kann auch das RBDSMA-Konzept genutzt werden. Der Gesprächsleitfaden soll bei intimen Begegnungen, für mehr Klarheit, Sicherheit und Verbindung sorgen – vor, während und nach dem Sex. Die sechs Buchstaben stehen für:
R – Relationship(s): Was ist unsere Beziehung zueinander? Sind wir in anderen Bindungen?
B – Boundaries: Wo liegen unsere Grenzen? Was geht für mich gar nicht – körperlich, emotional, verbal?
D – Desires: Was wünsche ich mir? Welche Fantasien oder Vorlieben bringe ich mit?
S – Sexual Health: Gibt es etwas zur sexuellen Gesundheit, das wichtig ist zu wissen (z. B. Tests, Verhütung)?
M – Meaning: Welche Bedeutung hat die Begegnung für mich – Spaß, Bindung, Neugier?
A – Aftercare: Was brauche ich danach – Nähe, Rückzug, Kommunikation?
Dieses Gespräch findet vor dem intimen Kontakt statt und kann kurz oder ausführlich sein – wichtig ist der ehrliche und respektvolle Austausch.
Ständiger Dialog:
Consent ist kein einmaliges Gespräch und hört auf, sobald eine Berührung erlaubt war. Die Zustimmung sollte während der gesamten Interaktion immer wieder überprüft werden. Auch wenn etwas in einem bestimmten Moment in Ordnung ist, kann sich die Situation ändern und es ist wichtig, auf Veränderungen zu achten.
Non-Verbale Kommunikation:
Achte auf Körpersprache und non-verbale Hinweise. Manchmal fällt es Menschen schwer, „nein“ zu sagen, aber ihre Körpersprache kann klare Signale senden. Ein Blick, eine Geste oder ein Zurückweichen können Anzeichen dafür sein, dass jemand sich nicht wohlfühlt. Drei typische non-verbale Zustände, die ein „Nein“ signalisieren, werden Flight, Fight, Freeze genannt.
Flight (Flucht): Die Person zieht sich zurück, wendet sich ab, schafft Abstand.
Fight (Kampf): Die Person wirkt angespannt, gereizt, konfrontativ oder wehrt sich.
Freeze (Erstarren): Die Person wird still, bewegt sich kaum, wirkt abwesend.
Die Körpersprache sollte immer auch in die Consent-Praxis mit einfließen. Wenn du diese Anzeichen bemerkst oder dir unsicher bist, solltest du sofort stoppen und nachfragen, wie die andere Person sich fühlt. Beispiele für Rückfragen: „Wie geht es dir? Ist das noch okay für dich?“. Ein ‘Nein’ ist immer sofort zu akzeptieren.
Manchmal fällt es schwer, mitten in der Situation zu sprechen. Ermutige aber zur offenen Kommunikation, indem du regelmäßig nachfragst, ob alles in Ordnung ist. Das schafft ein sicheres Umfeld, in dem beide sich trauen, Bedenken zu äußern.
Nach dem Berühren
Nach körperlichem Kontakt ist es wichtig, kurz innezuhalten und zu reflektieren: War alles stimmig? Gab es Unsicherheiten oder unangenehme Momente? Offene Gespräche im Nachhinein stärken Vertrauen und helfen, Grenzen besser zu verstehen – genauso wichtig wie die Kommunikation davor.
Entschuldigung, wenn nötig:
Falls du merkst oder klar wird, dass du ohne klare Zustimmung gehandelt hast – absichtlich oder unabsichtlich –, ist es wichtig, sich zu entschuldigen und aus der Situation zu lernen. Frage auch nach, was der Person noch helfen würde, die Grenzüberschreitung zu verarbeiten.
Die Praktizierung von Konsens erfordert und fördert Kommunikation, Respekt und Empathie. Indem wir uns bewusst machen, wie wichtig es ist, Consent vor, während und nach dem Berühren zu praktizieren, können wir eine Kultur des gegenseitigen Respekts schaffen. Ob in Freundschaften, Partnerschaften oder bei zufälligen Begegnungen – Consent sollte stets geachtet und geübt werden.
Wenn dich solche Themen und das sexpositive Universum interessieren, dann hör gerne mal in unseren Podcast Sex in Berlin rein – überall dort, wo es Podcasts gibt.
Quellen:
Jendrik Wichels: Was ist sexueller Konsens? https://pinkstinks.de/was-ist-sexueller-konsens/
O.A.: Konsens – sexuelle Einvernehmlichkeit. https://sexgesund.at/wissen/konsens-sexuelle-einvernehmlichkeit/
Joris Kern: Sex, aber richtig? über die Sache mit dem Konsens, die komplizierter ist als gehofft, aber auch entspannter als befürchtet.
Katharina Wirth: RBDSMA – Conversation https://www.sexological-bodytherapy.com/blog/rbdsma-conversation
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